Das Winterberg Puzzle

Das Winterberg Puzzle

 
'Nur wenn Du deine Wurzeln kennst,
kannst Du wirklich gut leben'

von Peter Kreitmeir

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Seite1
Geschichte Nr. 1: Es war einmal im Lindenthal
Geschichte Nr. 2: Musikvirus

Seite2
Geschichte Nr. 3: Musik & Theater
Geschichte Nr. 4: Entscheidung

Seite3
Geschichte Nr. 5: Earth, Wind & Fire
Geschichte Nr. 6: Mein Großvater, der Komponist Hans Winterberg

Seite4
Geschichte Nr. 7: Arnold Schoenberg & Hans Winterberg

Seite5
Geschichte Nr. 8: Respekt und Wahrheit
oder der Umgang mit dem künsterischen Nachlass Hans Winterbergs



Geschichte Nr. 1:

Es war einmal im Lindenthal
oder "Klein Peter sucht Mama!"


Gut zehn Jahre nach Kriegsende bekamen meine Eltern 1957 eine Wohnung in der Lindenthalstraße in Murnau am Staffelsee. Dort waren die sogenannten Zweckverbandshäuser für den sozialen Wohnungsbau. Wir wohnten in der Hausnummer 25. Mein Vater, der gehbehindert war, arbeitete in Heimarbeit als Goldschmied für die Firma Ackermann aus Murnau und Hemmerle aus München, meiner späteren Ausbildungsstätte zum Goldschmied. Oft brachte ich die fertige Arbeit meines Vaters zu Ackermanns in die Dr.-Seitz-Straße und bekam dafür von Frau Ackermann immer eine Tafel Milka-Schokolade.


Mein Vater Adolf (1930 - 2003), litt an den Folgen einer spinalen Kinderlähmung. Beide Beine waren gelähmt. Er erlernte den Beruf des Goldschmieds in Dießen am Ammersee bei der Firma Denzle. Er konnte sich damals entscheiden zwischen Schneider und Goldschmied, beides "sitzende" Berufe. Mein Vater war gebürtiger Weilheimer, wie auch mein Großvater (auch Adolf 1901 - 1984), der beim Weilheimer Tagblatt den Beruf des Stereotypeurs (Schriftsetzer) lernte und später zur Druckerei Huber nach Dießen kam. Ich wurde in Wartaweil bei Herrsching am Ammersee (gegenüber von Dießen) geboren. Mein Vater bekam später in Murnau eine Arbeitsstelle bei der Firma Ackermann und so zogen wir, ich war noch ein Baby, nach Murnau in die Asamallee 1.

Opa
Großvater Adolf Kreitmeir


Meine Mama Hendrina (1931 - 2011)- sie war meine Stiefmutter und ich nannte sie Mama - arbeitete zur dieser Zeit in der angrenzenden Werdenfelser Kaserne als Küchenhilfe. Mein Vater hatte sich vier Monate nach meiner Geburt von meiner leiblichen Mutter scheiden lassen und das Sorgerecht für mich erhalten. Er heiratete gleich wieder, nachdem er die Aufmerksamkeit meiner Mama, die zuerst am Niederrhein Krankenschwester war, durch eine Anzeige in der Schwesternschülerzeitung, mit folgendem Text erregte: "Klein Peter sucht Mama!".

In der Lindenthalstraße, uns gegenüber war die Hausnummer 24. Dort wohnten die Familien Müller, Vogel, Ried, Türk, Sauerhöfer und Effler. Frau Effler war Kriegerwitwe und hatte zwei Töchter. Ihre älteste hieß Hiltrud. Sie war eine blonde, sehr schöne Frau und Rolf war ihr Sohn. Rolf war knapp zwei Jahre jünger als ich. Er war nicht schon immer da aber auf einmal war er da und ich habe mich schnell mit ihm angefreundet. Ein kleiner Junge mit rabenschwarzem Haar und einem dunklen Teint. So einen kleinen Bruder hatte ich mir immer gewünscht.

Adolf und Rolf
Peters Vater Adolf und der tapfere Bogenschütze Rolf
Anfang der 60er Jahre - Lindenthalstraße 25
Peter
Peter vor der Lindenthalstraße 25 - 1960/61

Ich hatte keine Geschwister und somit waren die Kinder aus der Nachbarschaft die Ersatzgeschwister und sehr wichtig für mich. Jeden Tag war ich draußen beim Spielen und vor allen Dingen mit Rolf. Ich glaube, manchen Müttern war es gar nicht so recht, dass ich jeden Tag dauernd vor der Tür stand und nach meinen Freunden klingelte.


Brief an Mama


Bald erfuhr ich, dass Rolf gar nicht Effler hieß und dass Rolf einen arabischen Vater hatte. Das war aber für uns Kinder erst mal nicht weiter interessant und wichtig. Rolf hieß also nicht Effler sondern Mitwalli, ein arabischer Name. Rolf war mein "Bruder". Wir spielten viel miteinander. Ich weiß nicht wie viel Jahre es waren, drei vielleicht.

Dann kam der Tag, an dem Rolf wegzog. Ich hörte dass er nach Niederbayern zog aber wie auch immer, er war erst einmal weg und ich war traurig darüber. Es war ein Verlust für mich...

Wir haben uns beide völlig aus den Augen verloren. Ich habe aber immer mal wieder an Rolf gedacht und gehofft und fest daran geglaubt, dass wir uns einmal wiedersehen würden, wie es ja auch 40 Jahre später geschah.

Isetta Isetta
1957 BMW Isetta  600, erstes Auto von Peters Vater
Beide Modelle, die Isetta und der Ghia sind heute im Deutschen Museum in München zu sehen.

Kommunion
Peters Kommunion 1964
im Lindenthal vor Vaters VW Kharmann-Ghia

In unserem Haus, in der Lindenthalstraße 25, lebten die Familien Pichler, Hamburger, Bleisteiner, Kaiser und auch die Familie Zang. Da waren zwei große Buben, die ich immer sehr bewundert habe. Frau Zang war eine sehr liebevolle Mutter und immer fröhlich. So auch ihre beiden Buben, immer lachend und einen witzigen Spruch auf den Lippen also voll cool eben. Zangs hatten einen Fernseher und der jüngere Sohn Roland ließ mich immer mal mit Fernsehen, damals noch in Schwarz-Weiß. 'Raumschiff Orion' und später 'Die kleinen Strolche' waren Meilensteine in meiner Karriere als Fernsehzuschauer. Der ältere Bruder von Roland, Dieter hatte im Keller ein Schlagzeug stehen......


Geschichte Nr. 2:

Musikvirus

Mein Jahrgang (1955) wurde 1961 eingeschult. In dem Jahr, in dem John F. Kennedy als Präsident der USA vereidigt und die Berliner Mauer gebaut wurde. Dann war da noch Kosmonaut Juri Gagarin, der erste Mann im All und die Beatles, sie starteten ihre Karriere im Cavern Club in Liverpool. Ben Hur und Lawrence von Arabien, vielleicht unsere Lieblingsfilme, entstanden 1959 und 1962. Das waren meine ersten Filme, die ich im Murnauer Hutter-Kino sehen durfte. Unvergesslich die stahlblauen Augen der beiden Hauptdarsteller Charlton Heston und Peter O´Toole und vielleicht das Wichtigste, die Musiken von Maurice Jarre und Miklós Rózsa aus Lawrence von Arabien und Ben Hur.

Das Schlagzeug von Dieter im Keller von Lindenthalstraße 25 hat mich maßgeblich beeinflusst. Oder war es doch 'The Animal' von den Muppets? Ich war hingerissen von dem kraftvoll zu spielenden Instrument, von den Trommeln und Becken. Nachdem mir Dieter die ersten Handgriffe gezeigt hatte, begann ich wie ein Besessener auf meinen Oberschenkeln oder auf den Mülltonnen oder einfach überall die Unabhängigkeit beider Hände mit Stöcken oder der flachen Hand zu üben. Rhythmus, Schlagzeug und Musik wurden fortan mein Leben.

Mein Vater hatte eine kleine Goldschmiedewerkstatt in unserer Wohnung. Darin befand sich auch ein Radio, aus dem ich oft Musik hörte. Da waren die Hitparade am Freitag des BR, dann ein guter Sender für die damalige Tschechoslovakei, zu hören etwa bis 1968 dem Revolutionsjahr voll mit Beatles-Songs oder später der AFN, ein amerikanischer Sender über den ich schon früh mit sogenannter "schwarzer" Musik in Berührung kam. "Schwarze" Musik, gespielt von Afroamerikanern, ist meine Lieblingsmusik bis heute.


Radio

Goldschmiede arbeiten mit dünnen Feilen, sogenannten Nadelfeilen. Der Arbeitsplatz ist voll von wunderschön klingenden Gegenständen, wie z.B. einem Wasserglas zum Ablöschen von geglühtem Gold und Silber oder einem sogenannten Bretteisen, einem planen Stück schweres Eisen zum Schmieden von kleinen Teilen auf dem Arbeitstisch. All diese Dinge wurden von mir mit den Feilen und großer Begeisterung bespielt.


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